Depression

Gewöhn dich dran. – Das war die Antwort meines Mannes, als ich ihm vor einigen Wochen versucht habe, zu erklären, wie es mir geht, aber ich es nicht beschreiben konnte. Er selbst hat den Scheiss schon mal durchmachen müssen und weiss wie es mir ungefähr geht.

Mir kommt es vor, mein Hirni ist in seiner Ordnung total durcheinander geschüttelt worden. Und dann ist ab und an dieses Wattegefühl im Kopf, wenn man versucht einen Gedanken zu greifen, aber abdriftet und sich wie in einem Strudel befindet. Dem bekannten Gedankenkarussell. Ein Gedanke, eine Erinnerung schiesst plötzlich quer, nur kurz, denn schon darauf folgt die nächste. Es ist als würde jemand mit einer Fernbedienung in meinem Kopf sitzen und dauernd herumzappen. Dann erscheint auf einmal ein Gedanke klar und schon schwupps driftet man wieder ab und fühlt sich innerlich total verloren. Ich kann manchmal nicht beschreiben, was mich genau gerade umher treibt oder noch schlimmer, mitunter fällt es mir schwer, wahrzunehmen, was ich im Moment fühle oder genau denke. Als wäre ich manchmal innerlich total leer oder noch schlimmer: tod. 

Irgendwo im Internet fand ich den Spruch “Manchmal kannst du nur im Bett liegen und hoffen einzuschlafen, bevor du zusammenbrichst:” Aber das Schlafen klappt eher schlecht als recht. Obwohl ich müde bin, erschöpft und ausgelaugt. Einfach unter die Decke kriechen, schlafen, nichts weiter. Aber im Kopf kreisen die Gedanken. Hunderte Ideen, die ich gerne umsetzen möchte, hundert Sachen, die ich sofort ausprobieren will. Dinge, die im Haushalt gemacht werden müssten. Doch ich kann den Kopf nicht abschalten und somit auch nicht schlafen. Wiederum fehlt mir aber der Antrieb und Durchhaltevermögen, Dinge umzusetzen, zu Ende zu bringen. Selbst Kleinigkeiten werden schnell mal zur Qual, sei es, Wäsche zu erledigen, Znüni für die Kinder parat zu machen, Mittagessen kochen, sich die Haare wieder einmal waschen, sich was Gutes gönnen. Obwohl ich weiss, was mir gut täte, fehlt mir die Energie. Sport schüttet Glückshormone aus – ich bin immer gern Velo gefahren, ging gerne und lange mit dem Hund spazieren bzw. wandern, habe mit dem Laufen begonnen und sogar beim Winterthurer Frauenlauf vor 3 Jahren die 5km Runde geschafft. Aber ich kann mich dazu nicht mehr aufraffen. Ich verbringe Stunden auf dem Sofa, überlege, zweifle und bis ich endlich den Antrieb finde, ist es zu spät, weil dunkel, weil Regen, weil die Kinder nicht allein sein können. Doch das ist nicht der Grund oder gar Ausrede. Es liegt einfach an der fucking Depression. Selbst Freunde treffen, liegt nicht drin. Mich stressen momentan soziale Aktivitäten, auch wenn ich weiss, das tut mir gut. Ich will einfach nicht mit anderen Leuten zusammen sein, reden, wieder so tun, als sei alles in Ordnung. Denn das ist es nicht. Kraft, die Fassade aufrecht zu erhalten, habe ich nicht mehr.

Ich versuche irgendwie meinem Gehirn ein Reset aufzuzwingen. Dabei soll es aber nur jene schlechten Erinnerungen auslöschen, die mich immer noch so beschäftigen, mich verletzten, mich zweifeln lassen, mich im Ich-selbst-sein blockieren. Ich fühle mich immer noch nicht so richtig in meinem Leben angekommen, das Gefühl noch immer nicht zu wissen, wer ich bin, was ich genau will, wohin mein Weg gehen soll. Da mir schon als Kind das Wahrnehmen und Mitteilen meiner eigenen Bedürfnisse untersagt wurde, bin ich immer noch dran, das zu lernen. Manchmal ist dann wieder das Schuldgefühl da, die Scham anderen zur Last zu fallen oder die Annahme, ich sei nicht gut genug bzw. hätte es nicht verdient. In den vergangenen Monaten ist mir das erst so richtig aufgefallen, dass ich viel zu wenig auf mich geschaut habe. Ich kam mir mitunter wie eine Marionette vor, an deren Fäden so viele Menschen gezogen haben. So viele Menschen, wo ich gemeint habe, es allen recht zu machen. Doch es kam das Gefühl, darunter zu zerbrechen oder total auszuflippen. Denn da ist auch immer noch eine grosse Wut in mir. Wut, die nie heraus durfte. Wut auch über mich selber, dass ich mich zu lange habe kontrollieren und manipulieren lassen. Aber ich finde keinen Weg, diese Wut zuzulassen. Als dürfte ich das nicht.

Die Medikamente schlagen langsam an. Kürzlich dann das Gefühl, der Kopf sei endlich still. Ruhende Gedanken, völlige Leere. Ein angenehmes Gefühl von Entspanntheit im Kopf. Auch nehme ich mehr und mehr wahr, dass ich im Ganzen ruhiger und gelassener bin. Ich habe meine Ansprüche an mich selber heruntergeschraubt, setze den Fokus vermehrt auf das, was mir wirklich Freude bereitet. Und seien es noch so kleine Dinge. All diese sauge ich auf, weil sie mich ein Stück heilen. Ich lerne Kollegen abzusagen, mich abzugrenzen. Nicht aus Pflichtgefühl zu einem Treffen zu gehen, sondern auf mich zu hören. Aber dennoch ist da eine Angst, dass all das nur eine Art Kartenhaus ist, das ich mir aufbaue. Dass ich irgendwann wieder zusammenbreche.


Ich schreibe hier über meine Depression. Ich möchte damit kein Mitleid erhaschen, möchte nur meine Gedanken ausdrücken. Es hilft mir ein Stück.

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